Fortschritte - April 2000

 
Grabungsbericht
 

Schweißen
 
Ein Arbeiter beim Schweißen von Doppel-T-Trägern.
 
Kairo
April 2000
 
 
Liebe Freunde,
 
Susan und ich sind nach Beendigung einer weiteren Grabungssaison in KV 5 seit drei Tagen wieder aus Luxor zurück. Dieses Mal arbeiteten wir sieben Wochen und schafften es, ein grundlegendes, bautechnisches Vorhaben zu vollenden. Wie bereits erwähnt, schien für uns Kammer 3 - die Halle mit den 16 Pfeilern - ein entscheidender Schlüssel zum Verständnis der Konstruktion und des Zwecks von KV 5 zu sein. Aber die Kammer war in einem sehr schlechten bautechnischen Zustand und wir zögerten, den Schutt darin abzuräumen, bevor nicht entscheidende, statische Untersuchungen durchgeführt werden konnten.

Kammer 3
 
Kammer 3, der Blick nach Westen zeigt neuzeitliche Restaurationen und die Arbeit der Baustatiker.
In der Westwand ist die Tür zu Korridor 12 zu erkennen.

Vor drei Jahren hatten unsere Bau- und Bergbauingenieure John Abel, Michael Bukovansky und Don Richards einen Satz detaillierter Baupläne und Vorschläge zusammengestellt, um KV 5 zu stabilisieren. Ihren Plänen folgend, begannen wir im Frühjahr 1999 mit der Arbeit in Kammer 3, indem wir zuerst die dreieinhalb Meter dicke Geröllschicht zwischen der ersten Kammerwand (Westwand) und der ersten Reihe Pfeiler (A-D) abtrugen. Dies zeigte uns, wie Sie sich vielleicht aus einem früheren Bericht erinnern können, daß der Boden in diesem Teil der Kammer 3 bereits in der Antike um 70 Zentimeter abgesenkt worden war. Nachdem das Bodenniveau gesenkt worden war, wurden die Korridore 12 und 20 angelegt. Danach wurde der Bereich mit sauberen Kalksteinbrocken wieder bis zu seiner ursprünglichen Höhe aufgefüllt und mit einem grauen Gipsboden bedeckt. Dies ist nur eine weitere, verwirrende und bis jetzt unerklärbare Änderung, welche die Baumeister der Antike am Plan von KV 5 vorgenommen haben.

Doppel-T-Träger
 
Arbeiter beim Installieren von Spindelhebern und Doppel-T-Trägern.

In diesem Frühjahr machten wir mit dem Entfernen des Schutt aus Kammer 3 weiter, um ihre Pfeiler freizulegen und instandzusetzen. Die Pfeiler A-D wurden neu aufgebaut. Die hierzu verwendeten Kalksteinblöcke stammen aus Steinbrüchen nahe Kairo. Der Stein aus diesen Brüchen ist bekannt für seinen geringen Salzgehalt, eine wünschenswerte Eigenschaft, da Salz eine ernsthafte Bedrohung für den Zustand und die Lebenszeit von Kalkstein darstellt. Spindelheber mit vier Tonnen Tragkraft, sowie 12 und 16 Zentimeter starke Doppel-T-Träger aus Stahl wurden zwischen den Pfeilern und der Westwand der Kammer installiert und miteinander verschweißt. 

Doppel-T-Träger schneiden
 
Arbeiter beim Kürzen eines stählernen Doppel-T-Trägers

Der Zustand von Kammer 3 war beängstigend schlecht als wir mit der Arbeit begannen. Riesige Spalten und Risse durchzogen ihre Decke und große Brocken des Gesteins waren einfach herausgefallen. Teile der Decke sahen aus, als würden sie jede Minute einstürzen. Als wir uns aber den Schaden genauer betrachteten, entdeckten wir, daß sich praktisch in jeder einzelnen Spalte und in jedem Riß entweder Spuren von antikem Putz, oder aber Steinbruch- bzw. Steinmetzmarkierungen in schwarzer und roter Tinte fanden. Dies bedeutete, daß der Schaden bereits vor 3000 Jahren entstanden war, als das Grab aus dem Fels geschlagen wurde und die Steinmetze der Antike hatten versucht ihn zu flicken. Seit dem Altertum hat sich der Zustand des Grabes fast überhaupt nicht verändert. Bestätigt wird dies, durch die Tatsache, daß die Steinblöcke, welche von der Decke und den Wänden gefallen sind, fast alle auf dem Boden des Grabes liegen, begraben unter dem von den Überschwemmungen der letzten 3000 Jahre hereingespülten Geröll. KV 5 mag übel aussehen, aber in Wahrheit ist es in einem stabilen Zustand und in bautechnischer Hinsicht ist es  seit der 19. Dynastie praktisch unverändert.

Trotzdem sind wir bei unserer Arbeit lieber etwas übervorsichtig. Mag die Wahrscheinlichkeit auch noch so gering sein, wir wollen nicht unter tonnenschweren Steinen begraben werden. Also wandten wir uns im Februar der Nord- und Südseite von Kammer 3 zu, immer vom Rand nach innen arbeitend befreiten wir den Raum vom Geröll, installierten Hebespindeln und Doppel-T-Träger und erneuerten die Pfeiler dort, wo es nötig war. Die Kombination von neuen Pfeilern, Spindeln und Stahlträgern stellt sicher, daß sich Kammer 3 jetzt in einem besseren baustatischen Zustand befindet, als jemals zuvor und wir sind überzeugt davon, sicher in KV 5 arbeiten zu können.

Antike Risse
 
Ein Arbeiter untersucht mit antikem Putz verspachtelte Risse in der Decke

Im Zuge dieser umfangreichen Bau- und Erhaltungsmaßnahmen fanden wir hunderte von Putzfragmenten, welche von den Wänden und Pfeilern gefallen sind, als hereingeschwemmtes Geröll sich einen Weg durch das Grab bahnte. Diese Teile waren besonders schwer auszugraben. Das Geröll ist sehr dicht und hart gepackt, während die Putzfragmente klein und zerbrechlich sind. Unsere besten Leute mußten mit äußerster Sorgfalt arbeiten, um sie unversehrt zu bergen. Aber all ihre Mühe hat sich bezahlt gemacht. Die Bruchstücke stammen von den dekorierten Wänden und Pfeilern und enthüllen mit leuchtenden Farben bemalte Teile der feinen Dekorationen, welche einst alle vertikalen Flächen in KV 5 zierten. In gewisser Hinsicht ist es auch enttäuschend solche Spuren zu finden, zeigen sie doch wie schön KV 5 ursprünglich gewesen sein muß. Vielleicht hat das Grab einst ausgesehen wie das Grab der Königin Nefertari. Tatsächlich haben einige unserer Kollegen uns darauf hingewiesen, wie sehr sich der Dekorationsstil im Nefertari-Grab und in KV 5 ähneln und es ist durchaus denkbar, daß beide von den selben Künstlern dekoriert wurden. Susan Weeks verwendete einen großen Teil der Grabungssaison darauf, diese Putzfragmente abzuzeichnen, um sie nun mit der Dekoration anderer Gräber aus der 19. Dynastie zu vergleichen. Dadurch gelang es ihr bereits einige Szenen, aus welchen die Bruchstücke stammen, vollständig zu rekonstruieren (auf dem Papier). Das ist echte Detektivarbeit und Susan ist erstaunlich gut darin.

Pfeilerrekonstruktion
 
Pfeiler "E" während seiner Rekonstruktion. Ein Steinblock mit Dekorationen der bereits in der Antike
herabgefallen war, ist knapp unter der Decke wieder an seinem Platz gesetzt worden.

Des weiteren haben wir in enger Zusammenarbeit mit den ägyptischen Behörden geholfen, eine neue Beschilderung für das Tal der Könige zu entwerfen. Mit Unterstützung des World Monument Funds hoffen wir, sie noch dieses Jahr am Eingang zu jedem, der Öffentlichkeit zugänglichen Grab anbringen zu können. Es handelt sich um hochmoderne Schilder mit vorzüglichen Photographien und Grafiken. Wir glauben sie werden einen neuen Standard  in der Beschilderung archäologischer Ausgrabungsstätten setzen. Wenn wir das nächste Mal unsere Website auf den neuesten Stand bringen, zeigen wir Ihnen ein paar Kostproben.

Letztlich, nach jahrelanger Arbeit, ist der Atlas of the Valley of the Kings endlich fertig! Vom Theben Mapping Projekt zusammengestellt - 72 detaillierte Seiten genauest vermessener Grabgrundrisse, Schnitte und axonometrischer Darstellungen, außerdem topographische Karten des östlichen und westlichen Teils des Tals der Könige - ist soeben vom Verlag der American University in Kairo (American University in Cairo Press) veröffentlicht worden. Erste Exemplare wird es auf dem vom 28. März bis 3. April in Kairo stattfindenden, internationalen Kongreß der Ägyptologen zu sehen geben. Bald werden Sie auch Ihr Exemplar hier bei www.KV5.com bestellen können. Sie werden entweder über eine verschlüsselte Verbindung sicher per Kreditkarte bezahlen können, oder aber ein Bestellformular abrufen können, das Sie uns ausgefüllt per Post zusenden. Sehen Sie doch im Juni wieder mal rein, dann haben wir genauere Informationen für Sie.

Außerdem wird KV 5: A Preliminary Report , der 210 Seiten starke, reich bebilderte, technische Bericht über unsere Arbeit im Grab der Söhne von Ramses II ebenfalls demnächst erhältlich sein. Bleiben Sie dran!

Unsere Website gibt es bis jetzt in englischer, französischer und deutscher Sprache. Wir hoffen sie demnächst auch in spanisch, italienisch und arabisch präsentieren zu können. Ferner werden wir speziell für den Schulunterricht zugeschnittene Seiten bringen, welche www.KV5.com für Hunderte von Lehrern noch nützlicher macht, die unsere Site für ihren Unterricht in Alter Geschichte heranziehen. Anregungen hierzu sind herzlich willkommen.

Viele Grüße,

Kent R. Weeks
 
 
 
 


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